NIFFF 2011 – Target

From Russia with Screams nennt sich der Film-Block, der am Nifff 2011 einen kleinen Einblick in das russische Filmschaffen geben will. «Das vielfältige russische Genrekino – es reich vom Blockbuster bis zur Independentproduktion – macht zwar viel von sich reden, aber es hat sich international noch kaum durchgesetzt und bleibt dem westlichen Publikum oft verborgen», heisst es im Programm. Das liegt wohl vorallem daran, dass russische Filme der russischen Literatur stark gleichen. Wer sich schon einmal an «Krieg und Frieden» von Tolstoi oder «Schuld und Sühne» von Dostojewski versucht hat, der weiss in etwa, auf was er sich bei einem russischen Film einlässt: schwere Kost. Alexander Zeldovichs Target macht da mit seinen 158 Minuten Spieldauer keine Ausnahme.

Moskau im Jahre 2020: Die russische Schickeria langweilt sich tödlich. Fünf Leute haben sich auf den Weg in die russische Pampa gemacht, um dort an einem geheimnissvollen Ort die ewige Jugend zu erlangen. Der Minister Nikolay (Vitaly Kishchenko), seine Ehefrau Zoe (Justine Waddell), deren Bruder Mitya (Danila Kozlovskiy) und die zufällige Bekanntschaft Victor (Maksim Sukhanov) treffen an diesem geheimnisvollen Ort auf Anna (Daniela Stoyanovich) und Taya (Nina Loshchinina). Taya, bildhübsche 19 Jahre jung scheinend, erklärt den Ankömmlingen, dass sie schon 52 Jahre alt sei und dass auch sie diese ewige Jugend erlangen können. Alles was zu tun ist, ist in einem Loch, draussen in der Landschaft, zu übernachten. Gesagt, getan.

Ⓒ Studio / Produzent

Am nächsten Morgen kehren die vier Moskauer wieder zurück in die Zivilisation, begleitet von Taya, die in der Hauptstadt etwas zu erledigen hat. Es scheint sich nichts verändert zu haben, ausser vielleicht, dass die vier sich über jede Kleinigkeit herzlich, ja fast kindisch, amüsieren können. Taya erklärt ihnen, dass dies die normale Reaktion auf eine Übernachtung im «Jungbrunnen-Loch» sei und nun auch sie bis zu ihrem Tod nie altern werden. Unsterblich, wie man im Verlaufe des Filmes noch erfahren wird, macht einen der Jungbrunnen nämlich nicht. Nach einem gemeinsamen Wochenende machen sich die fünf wieder daran, ihren Alltag zu meistern. Doch irgendetwas scheint anders zu sein. Nicht etwa ihre Umwelt reagiert anders auf sie, nein, sie empfinden ihre Umgebung intensiver. Ein wahrer Sturm an Hormonen scheint über die Revitalisierten hereinzubrechen. So können Zoe und Victor ihre Gefühle füreinander nicht mehr zurückhalten und beginnen eine gefährliche Liebschaft. Nikolay, von seiner Frau abgwiesen, verrennt sich immer mehr in den Wahn, dass Dinge und Gefühle per se einen guten oder einen schlechten Kern haben und man das Gute vom Schlechten trennen muss. Die Produktivität im Bergbau kann so vorangetrieben werden, die Harmonie in der Beziehung wieder hergestellt werden, so zumindest denkt Nikolay. Mitya und Anna verlieben sich ebenfalls Hals über Kopf, doch während Anna eigentlich noch recht vernünftig bleibt, beginnt sich Mitya in seiner Fernsehshow immer merkwürdiger zu verhalten. So als ob er die Hormonschübe eines Teenagers ohne irgendwelche flankierenden Massnahmen – die normalerweise von Eltern übernommen werden – auszuleben versucht.

Natürlich kann das alles nur im Chaos enden. Zeldovich nimmt sich nur sehr, sehr viel Zeit um auf diesen Kummulationspunkt hinzusteuern. Und mit einem grossen Thema, dem irrwitzigen Wahn ewiger Jugend nacheifern zu wollen, hat Zeldovich noch nicht genug. Er muss auch noch die philosophische Abhandlung von Gut und Böse in Betracht ziehen. Über beide Themen lässt sich stundenlang diskutieren, ohne dass wirklich ein befriedigendes Ergebnis zuTage gefördert wird. Auch Zeldovich nimmt nicht wirklich Stellung in seinem Werk. Oberflächlich betrachtet ist Target eine Provokation, möglicherweise sogar Anklage. Eine Klage gegen den uns umgebenden Wahn, ewig jung bleiben zu müssen, um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Eine Klage gegen das undifferenzierte Schwarz-Weiss-Denken, das seit 9-11 die Welt in Gut und Böse teilt. Auf den zweiten Blick aber lässt der Regisseur einem die Wahl. Mit dem relativ offenen Ende der Geschichte, zumindest der Geschichte von Anna und Mitya, verwandelt sich die Klage in eine Fallstudie.

Fazit: Die Thematik des Filmes ist hochbrisant und die Umsetzung auf der bildlichen Ebene bleibt im Gedächtnis haften. Target ist jedoch schwere Kost und man braucht ziemlich Sitzleder: Für Russland-Neulinge ist dieser Film nicht unbedingt der geeignete Einstieg.

Target
Alexander Zeldovich, RU, 2011, color, 158’, OfmU en, Drama / SF

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