Fantoche 2010: Metropia

Metropia ist der erste lange Animationsfilm des Schweden Tarik Saleh, dessen Background eigentlich im Dokumentationsfilm liegt. Das Drehbuch zu der Geschichte entstand in Zusammenarbeit mit Stig Larsson, der im übrigen nicht der Stig Larsson ist, den man von der Millenium-Trilogie her kennt. Vincent Gallo, Juliette Lewis und Udo Kier liehen ihre Stimmen den einzelnen Figuren. Es enstand dabei ein recht düstere Geschichte, nicht nur in ihrer Aussage sondern auch in ihrem Aussehen.

Ⓒ Studio / Produzent

Metropia bedient sich einer Farbpalette, die durch einen Filter verdunkelt wurde. Bis auf wenige Farben, Rot und Blau, ist Metropia ein in Sepiabraun bis Sepiagrau gehaltenes Werk. Diese düstere Farben dienen der Geschichte aber hervorragend. In grellen Primärfarben würde sie nur an Glaubwürdigkeit verlieren. Europa im Jahr 2024: die Welt ist düster, grau in grau. Roger (Vincent Gallos Stimme) arbeitet in Stockholm als Call Center Agent. Er ist einer der wenigen, die tägllich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Alle anderen benutzen die Metro, ein Schienennetz, das ganz Europa unterirdisch verbindet und im privaten Besitz ist. Eines Tages wird aber Rogers Rad zerstört und er muss in die Metro hinuntersteigen um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen. Von diesem Moment an ist Roger nicht mehr alleine, eine fremde Stimme in seinem Kopf begleitet ihn. Dass er in der Metro auch noch seiner Traumfrau aus der Shampoo-Werbung begegnet, ist nicht gerade hilfreich, dass er pünktlich zur Arbeit erscheint. Obwohl die Stimme in seinem Kopf ihn davor warnt, verfolgt er seine Traumfrau (übrigens im auffallenden Rot, Matrix lässt grüssen) und landete am anderen Ende Europas. Nina (Stimme Juliette Lewis), die Shampoo-Lady, ist genauso geheimnisvoll wie die Stimme in Rogers Kopf. Der Call Center Agent nimmt mit ihr zusammen an einer Veranstaltung von Ivan Bahn (Stimme Udo Kier) teil, dem Mann, dem das Metronetz gehört. Dass an diesem Treffen auch hochrangige Militärfunktionäre teilnehmen und sich nach Ninas wortstarken Einwänden zudem eine gereizte Stimmung verbreitet, verhelfen nicht dazu, dass Roger sich sicher fühlt. Ein Gefühl, dass sich auch beim Zuschauer einschleicht. Das liegt zum Teil an der Farbwahl, die nicht eben freudeversprühend ist. Zum anderen liegt es an der fotorealistischen Animation von Metropia, die trotz ihrer Genauigkeit in Mimik und Bewegung ein Gefühl der Beklemmung aufkommen lässt. Die Proportionen stimmen einfach nicht: der Kopf ist zu gross, der Körper zu fragil. Das wirkt vor allem bei Nina als ob eine Puppe zum Leben erweckt worden wäre. Und dass lebendige Puppen selten etwas Gutes verheissen, weiss man spätestens seit Chucky.

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So ist denn auch Nina nicht unbedingt positiv behaftet. Man ist sich bis kurz vor Schluss nie sicher, ob sie Roger nun helfen oder sich seiner bedienen möchte. Auf jeden Fall verfolgt sie eigene Ziele, und man fühlt sich verpflichtet, dem paranoid wirkenden Call Center Agent zuzurufen, er solle zurückkehren. Zurück zu seiner Arbeit, seiner Freundin, seinem Leben. Wäre da nicht die alles erdrückende Düsternis. Eine Düsternis, die sich sowohl physisch als auch psychisch manifestiert. Die Sonne in Metropias Europa bricht nie durch die Wolkendecke, Rogers Arbeit ist stupid, seine Freundin starrt nur noch apathisch in den Fernseher, die Massenunterhaltung zelebriert Gameshows in denen Asylbewerber brutal aussortiert werden – da ist kein Silberstreifen am düsteren Horizont zu entdecken. Individualität und Selbstbestimmung scheinen zudem im Einheitsbrei der Grau in Grau gehaltenen Gesellschaft verloren gegangen zu sein. Von dem her kann man Metropia auch als eine Kritik an der heutigen Gesellschaft verstehen. Eine Kritik an der allgegenwärtige Technik, die – wem auch immer – die Überwachung der Gesellschaft vereinfacht. Eine Kritik, die das oft manipulative Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft anprangert. Dieser mahnende Zeigefinger der Metropia-Macher wird aber zurückhaltend eingesetzt, so dass man sich als Zuschauer in keiner Weise bevormundet vorkommt. In erster Linie ist man an der Geschichte interessiert. Man will herausfinden, wer oder was die Stimme in Rogers Kopf ist, was hinter dem maskenhaften Spiel von Nina steckt und was das Shampoo eigentlich mit der ganzen Geschichte zu tun. Metropia ist eine intelligente Geschichte, die einen, verpackt in einen faszinierend animierten Hyperrealismus, so schnell nicht wieder loslässt.

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