«Let The Right One In» oder «Let Me In»? Keine Frage, das Original natürlich!

In letzter Zeit sind wenige Filme in die Kinos gekommen, die mich wirklich begeistert haben. Einer der es aber definitiv unter die Top 5 schafft, ist der schwedische «Vampirfilm» Let The Right One In. Ein wirklich bemerkenswerter kleiner Film der so gar nicht in das Genre passen will und enormen Eindruck hinterlassen hat. Nun ist sich Hollywood ja noch nie zu schade gewesen, bei anderen zu klauen. So verwundert es denn auch nicht, dass Let The Right One In ein Remake erfahren hat und in der Hollywood-Fassung, die in diesen Tagen weltweit Premiere feiert, Let Me In heisst. Im Zuge der weltweiten Vampir-Hysterie, ausgelöst durch Bella und Edward (Twilight), kam sich wohl einer der Verantwortlichen sehr clever vor, sich die Rechte an dem schwedischen Original zu sichern und eine Fassung in die amerikanischen Kinos zu bringen, die beinahe Eins-zu-Eins dem Original gleicht. An Überflüssigkeit ist das nun echt nicht mehr zu toppen! Auch Mark Kermode von der BBC hat da eine recht interessante Meinung dazu. Meine Meinung? Vergesst die amerikanisierte Version und gönnt euch ein klein wenig schwedisches Kino (der Film ist auf DVD erhältlich). Das tut nicht nur der Vielfalt der Kinokultur gut, sondern – und das ist nun wirklich der springende Punkt – eröffnet einem auch einen weiteren (Kino-) Horizont. Denn Hollywood ist nicht Kinokultur per se!

Meine Review zum Film ist am 26. März 2009 im Regionalteil des Zofinger Tagblattes publiziert worden. Hier der ganze Text.

Finstere Nacht und weisser Schnee

LET THE RIGHT ONE IN Der etwas andere schwedische Vampirfilm ist ab nächster Woche in den Schweizer Kinos zu sehen

SANDRA KYBURZ

Oskar ist ein 12-jähriger Junge, der mit seiner Mutter in einem Vorort einer schwedischen Stadt wohnt. Der blonde, schmächtige Bub lebt zurückgezogen und hat keine wirklichen Freunde. Schlimmer noch, in der Schule wird er täglich von drei seiner Mitschüler gequält. Abends, wenn es bereits schon dunkle Nacht im verschneiten Schweden ist, lässt er seine Frustration und seine unterdrückte Wut mit einem Klappmesser an einem Baum auf dem lieblos gestalteten Spielplatz aus.

Ⓒ Studio / Produzent

Eines Abends beobachtet Oskar, wie ein älterer Mann und ein dunkelhaariges Mädchen in die freistehende Wohnung auf seinem Stockwerk einziehen. Ein paar Tage danach, Oskar reagiert eben gerade seine Wut an dem Baum ab, spricht ihn Eli, das dunkelhaarige Mädchen an. Obwohl es Oskar merkwürdig vorkommt, dass Eli bei dem meterhohen Schnee nur mit einem T-Shirt und einer einfachen Hose bekleidet vor ihm steht, freunden sich die beiden zaghaft an. Immer regelmässiger treffen sich die beiden und Oskar erkennt mit der Zeit, dass seine neue, merkwürdig riechende, die Kälte nicht spürende Freundin, die er nie bei Tageslicht zu sehen bekommt, ein Vampir ist. Oskar scheint diese Entdeckung aber nicht sonderlich zu stören.

Doch Elis merkwürdige Art, ihr Verhalten, fällt auch den Erwachsenen in dem Vorort auf. Und als sich auch noch die mysteriösen Todesfälle zu häufen beginnen, sieht sich das kleine Vampirmädchen bedroht und zieht in die nächste Stadt weiter. Oskar hingegen muss sich entscheiden, ob er sein Leben so weiterführen will wie bisher oder ob er alles hinter sich lässt und seine neue Freundin in eine ungewisse Zukunft begleitet.

Klirrende Kälte in Bildern

Let The Right One In des Regisseurs Tomas Alfredson ist bestimmt kein Film für Kinder, und vielleicht sogar noch weniger ein Film für jene Kino- und Filmliebhaber, die sich speziell für das Horror- und Vampirgenre begeistern können. Let The Right One Inist eine von poetischen, durchkomponierten Bildern geprägte Charakterstudie. Hervorragend ausgewählt wurden hierfür die beiden Hauptdarsteller Kare Hedebrant als Oskar und Lina Leandersson als Eli. Beide verstehen es, ohne viele Worte eine gequälte Kinderseele darzustellen. Überhaupt kommt der Film mit relativ wenig Dialog aus. Der blonde Bub und das dunkelhaarige Mädchen reden kaum drei aneinandergereihte Sätze miteinander. Zudem verzichten die Filmemacher grundsätzlich auf irgendwelche Erklärungen. Das geht so weit, dass man weder einen zeitlichen noch einen echten geografischen Anhaltspunkt bekommt. Nur in kleinen, kurzen Dialogen – welche der Zuschauer aber durchaus überhören kann – werden einige Anhaltspunkte geliefert. So kann man denn einmal einen kurzen Happen eines Stammtischgespräches erhaschen, wo über die drohende Gefahr «des Russen» Leonid Iljitsch Breschnew (Parteichef der KPdSU von 1964 bis 1982) gelästert oder über die mysteriösen Morde in Blackeberg (einem Stockholmer Vorort) geredet wird. Mehr als diese kleinen zeitlichen und örtlichen Hinweise erhält man nicht. Das lässt dem Filmliebhaber mehr als genug Zeit, sich auf die fantastischen Bilder des Kameramannes Hoyte van Hoytema (übrigens ein in der Schweiz geborener Holländer) einzulassen. Die klirrende Kälte des nordischen Winters, die Einsamkeit der beiden Kinder, Schnee, der jedes Geräusch zu überdecken scheint – all das ist in den Bildern förmlich eingefroren worden.

Ⓒ Studio / Produzent

Vampir-Klischees und Fragen

Natürlich fliesst auch in Let The Right One In Blut, und die unweigerlich dem Blutdurst Elis zum Opfer gefallenen Leichen werden recht unzimperlich beseitigt; so gut das eben ein Unsterblicher im fragilen Körper eines 12-jährigen Mädchens kann. Auch sonst tauchen immer mal wieder die typischen Vampir-Klischees auf. Katzen greifen zum Beispiel Vampire an, das Sonnenlicht führt zur tödlichen Feuersbrunst und Eli kann nur durch eine Tür in eine fremde Wohnung treten, wenn sie dazu aufgefordert wird.

All das lässt Let The Right One In aber nie in das schon viel zu oft reproduzierte Vampir-Genre abfallen; ganz im Gegenteil: durch die ruhigen, poetischen Bilder, die langen, wortlosen Einstellungen lassen die Filmemacher ihrem Publikum genügend Freiraum, selbst zu denken. Wie kommt ein unsterbliches Wesen im Körper eines 12-jährigen Mädchens zu Geld, wie zu einer Wohnung und zu Kleidung? Wie muss sich ein Erwachsener, der für alle Zeit im Körper eines Kindes gefangen ist, fühlen? Was geht in ihm vor? Der Film Let The Right One In gibt auf solche Fragen nur bedingt Antworten, überlässt vieles der eigenen Fantasie und den eigenen Gedanken.

Wer sich auf die unkonventionelle Geschichte einlässt, wird Let The Right One In bestimmt nicht so schnell vergessen

 

Regie: Tomas Alfredson
Cast: Kåre Hedebrant, Lina Leandersson
Låt den rätte komma in, Let The Right One In, So finster die Nacht, Tomas Alfredson, Schweden, 2008, 115′
 

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