Verklemmt-schmachtenden Lolitas vs. Dampf-Zombies

Zack Snyder «beglückt» uns mit seinem neuen Machwerk Sucker Punch. Seit letztem Donnerstag läuft nun dieses, von der ersten Minute an durchschaubare, blutleere Leinwand-«Geschnetzeltes» und stösst einem nach dem «Verzehr» mächtig auf – um mal wieder den Vergleich zur Nahrungsaufnahme zu bemühen. Nein Herr Snyder, Sie haben Salz und Pfeffer schlicht vergessen und die Sauce weder mit etwas Alkohol abgelöscht noch mit Rahm verfeinert. Eine goldbraun angebratene, knusprige Rösti fehlt sowieso und so hat das, was Sie uns auf den Teller pappen, noch nicht einmal den Ausdruck «Astronauten-Futter» verdient! [warning](P.S.: wer sich das fade Gericht doch noch selber antun will, sollte nicht weiterlesen …) [/warning]

Um was es geht? Nun, die liebenswerte Babydoll (Emily Browning) wird von ihrem bösen Stiefvater in ein Irrenhaus eingewiesen. Dort soll sie bis zum Sankt-Nimmerlein-Tag verotten, damit er das Erbe verprassen kann. Im Irrenhaus flüchtet sich Babydoll in eine Fantasiewelt und plant ihren Ausbruch. Alles was sie zur Flucht benötigt sind eine Karte, Feuer, ein Messer, ein Schlüssel und eine weitere geheimnisvolle Zutat (man ahnt schon, auf was diese geheimnisvolle Zutat hinausläuft). Babydoll freundet sich mit vier weiteren Mädchen an: Rocket (Jena Malone), Blondie (Vanessa Hudgens), Amber (Jamie Chung) und Sweet Pea (Abbie Cornish) helfen ihr, gegen den Wächter/Zuhälter Blue (Oscar Isaac) und die Ärztin/Puffmutter Madam Gorski (Carla Gugino)aufzubegehren. So weit, so gut – wenn das nicht schon die ganze Story wär. Diese durchschaubare, allzu offensichtliche Story sollte dann auch noch auf drei verschiedenen Realitätsebenen ablaufen. Zum einen ist da die Wirklichkeit: Babydoll sitzt mit den anderen in einem Irrenhaus. Vor dieser Realität flüchtet sich Babydoll in eine erste Fantasiewelt, in welcher die Institution ein Bordell ist und die mental angeschlagenen Patientinnen nicht minder mental angeschlagene Tänzerinnen mimen. Und dann gibt es noch eine weitere «Realitätsebene»: immer wenn Babydoll tanzt, versetzt sie sich in eine weitere Fantasiewelt, in der sie zusammen mit ihren Gespielinnen eben jene Dinge erkämpft, die sie zur Flucht brauchen werden.

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Die Karte: die hängt eigentlich im Büro von Blue und wird, während dem Babydoll tanzt, von Sweet Pea geklaut. Was das Publikum aber sieht, ist die Fantasie-Ebene Nummer 2 von Babydoll. Zusammen mit ihren Freundinnen ergattert die zur Kampfamazone mutierte Babydoll die Karte in einem heftigen Grabenkampf im ersten Weltkrieg. Dass die «Nazis» alle ein klein wenig an den Oberbösewicht Karl Ruprecht Kroenen aus Hellboy erinnert ist ja wohl reiner Zufall, nicht wahr Herr Snyder. Das Feuer, eigentlich ein Feuerzeug, das von einem der Gäste geklaut wird, wird in der Fantasie-Ebene Nummer 2 beim Kampf gegen einen gewaltigen Drachen erobert. Das Messer vom Koch ist nicht etwa ein heiliges Samurai-Schwert, das in einem Kampf gegen Ninjas erobert werden muss. Nein, hier springt Herr Snyder ein bisschen. Man muss ja auch irgendwie den obligaten Märtyrertod einbauen und den Zweiflern in der Gruppe einen Sinn geben. In Fantasie-Ebene Nummer 2 müssen die fünf für das Messer eine Bombe auf einem fahrenden Zug entschärfen, was aber schiefläuft und die vertrauensvolle, loyale Rocket beisst ins Gras. Natürlich sind die Machenschaften der Mädchen nicht unentdeckt geblieben, sowohl auf der Bordell-Ebene als auch in der Wirklichkeit des Irrenhauses. Und so kommt es am Schluss zum Endkampf zwischen Blue, Babydoll und Sweet Pea (Rocket ist eh schon tot, Blondie und Amber werden von Blue nebenbei noch exekutiert). Siegreich rennen Babydoll und Sweet Pea in den Hof der Anstalt/des Bordells und merken, dass sie nur noch ein einziges Hinderniss von der Freiheit trennt. Und was schon zu Beginn des Filmes absolut klar war, nämlich dass Babydoll sich für das Wohl der anderen opfern muss, folgt dann auch prompt.

Wenn sich einem die Zehennägel krümmen …

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… sind die Auslöser schnell gefunden. Zumindest bei mir. Der Name Babydoll ist so ein Auslöser! Huu, da läuft mir ein ekliger, kalter Schauer über den Rücken und manifestiert sich im Zehennagel-Krümmen. Die Namen Sweet Pea, Amber, Rocket oder Blondie sind übrigens nicht viel besser. Hinzu kommt, dass die fünf dann auch noch gleich so ausgestaffiert werden, wie sich das für ihre Namen gebührt. Knappe Schulmädchen- oder Krankenschwester-Uniformen und Strapse und Netzstrümpfe. Dazu noch meterlange Wimpern, mit denen die Mädchen unschuldig klimpern können, und fertig sind die verklemmt schmachtenden Lolitas. Nun gut, immerhin kann man Zack Snyder zugestehen, dass er sich im Metier der an Stangen tanzenden Exotiktänzerinnen und der Fantasiewelt, die sie verkaufen, auskennt. Zumindest in der züchtigen amerikanischen Version. Für europäische Verhältnisse ist das, was uns Snyder als anrüchiges Angebot zu Sex verkaufen will, eher lach- und stümperhaft. Nun gut, da es sich bei der Bordellwelt auch um eine Fantasie von Babydoll handelt, und Babydoll ja eigentlich ein braves Mädchen aus gutem Hause ist, ist diese züchtige Version nachzuvollziehen; aber trotzdem lächerlich.

Weniger nachvollziehen kann ich aber die Blutleere der verschiedenen Kampfszenen. Echt jetzt. Die «Nazis» beim Grabenkampf sind eigentlich mit Dampf betriebene Zombies. Beim choreografierten Abschlachten spritzt also nicht hektoliterweise Kunstblut aus den Wunden sondern es entweicht heisse Luft, *gähn*. «Nazis» übrigens in Anführungszeichen da man sich wegen der Zeppeline und Doppeldecker eindeutig in einer Szenerie des 1. Weltkrieges befindet und der klassische SS-Scherge à la Karl Ruprecht Kroenen erst im 2. Weltkrieg von Bedeutung wäre. Aber vielleicht nimmt es Snyder auch nicht so genau mit der Geschichte, wer weiss das schon. Nebst den blutleeren Dampf-Zombies sind aber auch alle andere Gegner von einer geheimnisvollen Ischämie befallen. Und so verwundert es nicht, dass Sucker Punchein PG-13 Rating erhalten hat (sprich die MPAA empfiehlt, den Film für 13-Jährige freizugeben). Also, kein Sex, kein Blut: sind dann wenigstens die Bilder gut? Ähm, nicht wirklich. Wirklich auffallend, und im Verlaufe des Filmes auch nervenaufreibend, sind die häufigen Close-ups und Grossaufnahmen. Nun sind das aber Einstellungen, die klassischerweise dazu benötigt werden, um das Publikum in eine intime, persönliche Distanz zum Leinwandcharakter zu setzen. Dies macht über die Dauer von über 100 Minuten aber wenig Sinn. Denn selbst in der realen Welt kommt es selten vor, dass man beinahe zwei Stunden lang ein Gespräch Kopf an Kopf mit seinem Gegenüber führt. Wenn uns Snyder also nicht in einen erzwungenen Kopf-an-Kopf-Dialog drängen will, wieso hat er dann für den grössten Teil seines Filmes solch kleine Einstellungsgrössen gewählt? Wahrscheinlich um die Produktionssumme von 82 Millionen Dollar nicht noch ins Unermessliche ansteigen zu lassen. Da das meiste eh vor einem Green-Screen gedreht wurde und die Kamera den Darstellerinnen ständig auf die Pelle rückt, führt das dazu, dass die computergenerierten Hintergründe eh alle recht unscharf daherkommen und – hier bin ich jetzt äusserst ketzerisch – vielleicht gar nicht so detailgenau ausgeführt werden mussten. Irgendwie fühlt man sich dabei betrogen, betrogen um wahrscheinlich gewaltige und tolle Bilder, die aber verschwommen und unscharf ein Schattendasein im Hintergrund frönen müssen.

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Festhalten lässt sich nach boxofficemojo.com jedenfalls Folgendes: Sucker Punch kommt, trotz des riesigen Hypes, der um Snyders neuen Film gemacht wurde, nicht aus den Startlöchern. Er schneidet sogar schlechter ab als alle anderen Zack Snyder Filme der letzten Jahre (und da ist das Remake von Dawn of the Dead miteingerechnet!). Die Zahlen für die Schweiz sind noch nicht veröffentlicht. Aber nach einem fast leeren Kino Metropol in Zürich vom vergangenen Samstag sind auch für die Schweiz keine überraschenden Zahlen zu erwarten. Sucker Punch ist enttäuschend einfach gestrickt, mit 08/15-Lolitas besetzt und schlicht und ergreifend nicht gut genug, um dafür Geld an den Kinokassen liegen zu lassen.

 

Regie: Zack Snyder
Cast: Emily Browning, Vanessa Hudgens
Sucker Punch, Zack Snyder, USA/Kanada, 2011, 110′

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