Tonari No Totoro – Mein Nachbar Totoro

Am Fantoche 2010 hat diese zeitlose Animation vom japanischen Grossmeister der Geschichtenerzähler Hiyayo Miyazaki endlich seine wohlverdiente Schweizer Premiere – über zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung. Gezeigt wurde eine japanische 35mm Originalfassung, mit Englischen Untertiteln und einem zusätzlich unter der Leinwand auf ein weisses Transparent projezierte deutsche Untertitelung. Ist Totoro schon als DVD auf dem Bildschirm ein Erlebniss, ist er es auf der grossen Leinwand umso mehr.

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Die Geschichte beginnt mit dem Umzug von Satsuki und ihrer kleinen, vierjährigen Schwester Mei. Die beiden ziehen mit ihrem Vater in ein verwunschenes Häuschen auf dem Lande, um näher bei der Mutter zu sein, die sich im Krankenhaus von einer schweren Krankheit erholt. Mit viel Temperament und Schwung wird das verwinkelte Häuschen auf den Kopf gestellt, herausgeputzt und bewohnbar gemacht. Bevor die Schule für Satsuki wieder beginnt, besuchen sie noch ihre Mutter, die schon viel gesünder aussieht. Bald hat sich der Alltag im Hause der Schwestern eingenistet und Mei beginnt, während ihr Vater arbeitet und ihre Schwester in der Schule ist, den Garten und die nähere Umgebung zu erkunden. Der riesige Kampferbaum beherbergt nämlich ein Geheimnis, dem die neugierige Mei bald auf die Schliche kommt. Totoro, ein riesiger, kugelrunder und kuschliger Waldgeist bewohnt den alten Baum und freundet sich mit dem erkundungsfreudigen Mädchen bald an. Als die beiden Schwestern eines Abends an der Bushaltestelle auf ihren Vater warten, es regnet wie aus Kübeln, taucht plötzlich Totoro neben ihnen auf. Auch er scheint auf den Bus zu warten, hat aber im Gegensatz zu den Kindern nur ein grosses Blatt, das ihn vor dem Regen schützen sollte. Freundlich wie Satsuki ist, bietet sie dem Waldgeist den Schirm ihres Vaters an. Dieser findet vor allem Gefallen daran, was die Regentropfen für ein Geräusch machen, wenn sie auf den Regenschirm platschen. Als von weitem zwei Lichter auftauchen, glauben die Kinder, es sei der verspätete Bus des Vaters. Wie überrascht sind sie jedoch, als die Lichter zu hüpfen beginnen und vor ihnen kein Bus hält, sondern eine Katze mit vielen Beinen und einem Körper, der einem Bus ähnelt. Totoro steigt in die Buskatze ein, bedankt sich zuvor aber artig für den Regenschirm und schenkt seinen Wohltäterinnen einen Beutel mit Nüssen.

Mei und Satsuki pflanzen die Nüsse und warten ungeduldig darauf, dass sie zu spriessen beginnen. Eines Nachts beobachten sie, wie Totoro und zwei kleinere Ausgaben seiner Art einen rituellen Tanz beim Pflanzbeet aufführen. Sie eilen den Waldgeistern zu Hilfe und plötzlich steht ein riesiger Baum im Garten. Zusammen mit Totoro streifen sie danach durch die Nacht und erleben einige Abenteuer. Am nächsten Morgen ist der Baum zwar fort, die gesprossenen Triebe sind aber noch da. Als dann auch noch die Nachricht eintrifft, dass Mama übers Wochenende nach Hause kommen kann, scheint das Glück der Mädchen vollkommen zu sein. Doch Mamas Krankheit verschlechtert sich wieder und Mei ist so schrecklich enttäuscht, dass sie sich auf den Weg ins Krankenhaus macht um der Mutter gesundes Gemüse zu bringen, welches diese essen kann um bald wieder gesund zu werden. Als sie am Abend immer noch nicht zurück ist, macht sich Satsuki langsam Sorgen und beginnt ihre kleine Schwester zu suchen.

Das Wunder des Lebens

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Es gibt sie, diese wenigen Filme, die einen einfach nicht mehr loslassen. Sie rühren zu Tränen und machen trotzdem unglaublich viel Freude. Es ist eine wirkliche Befriedigung, einen solchen Film gesehen zu haben, einen, den man in seine eigene DVD Kollektion aufnehmen muss, koste es was es wolle. Tonari no Totoro gehört dazu, unbedingt. Miyazaki verwirklichte die Geschichte rund um zwei Mädchen und den freundlichen Waldgeist Totoro 1988, und bis heute hat dieser Film an farblicher, technischer, visueller und inhaltlicher Brillianz nichts verloren. Die feinfühlige Art, mit der Miyazaki auf seine kindlichen Figuren blickt, erwärmt einem das Herz. In diesen gezeichneten Mädchen liegt enorm viel Leben, und die Macher des Filmes bewiesen eine beinahe unheimliche Genauigkeit im Abbilden der mentalen Realität (eines Kleinkindes). Dadurch ist Totoro ein wahrer Sturm der Gefühle, der ungefiltert auf einen einprasselt. Der Wechsel von Angst zu Neugier, von Trauer zu Freude wird rasch vollzogen, so wie es der Natur eines Kleinkindes eben entspricht. Und so katapultiert Miyazaki seine meist erwachsenen Zuschauer in eine Kindheit zurück, die längst unter dem Berufsalltag begraben liegt. Dies ist meines Erachtens die grosse Kunst des Japaners. Dass er seinen Zuschauern ein paar wenige Minuten lang die Kindheit zurückgibt.

In zweiter Linie wiederspiegelt Tonari no Totoro ein Ideal der Verbundenheit des Menschen mit der Natur, wie es nicht nur im japanischen Shintoismus und Buddhismus gelehrt werden, sondern auch heute von globaler Aktualität ist. Diese Rezeptionsart ist allen Werken von Miyazaki zu eigen, es wäre aber zu einfach, seine Genialität und Beliebtheit auf nur diesen Nenner zu bringen. Miyazakis Werke brauchen keine hochintellektuellen Erklärungen, die man ohne Philosophiestudium nicht versteht. Ihre Brillianz besticht durch die Einfachheit der Geschichte und sobald man sich auf das eigene innere Kind eingelassen hat, eröffnen sich einem fantastische Welten. Welten in denen Katzenbusse, Totoros, fliegende Schlösser, in Schweine verwandelte Etern, Goldfische mit Haaren, wilde Prinzessinnen oder freundlich gesinnte Wölfe die logischen Erklärungen für scheinbar Übernatürliches sind. Etwas Übernatürliches, das bei näherer Betrachtung eigentlich nichts weiter als das Wunder des Lebens ist. Schlicht gesagt, Miyazakis Werke sind eine von Herzen demütig empfundene Hommage an genau dieses Wunder.

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