Fantoche 2011: Waltz with Bashir

Der diesjährige Themenschwerpunkt am Fantoche sind die sogenannten Anidocs. Also animierte Dokumentarfilme. Das, was heute ein normaler Dokumentarfilm beinahe gar nicht mehr erreicht, das erreicht eine Animation umso heftiger. Durch die täglichen Newsbilder, die in unseren Stuben über die Mattscheibe flimmern, sind wir uns an Tote und gewaltsame Kriege oder Auseinandersetzungen gewohnt. Eine Dokumentation über den ersten Libanonkrieg Israels mit «echten» Zeitdokumenten (in Form von Fernsehbeiträgen und Interviews mit Betroffenen), das würde ehrlich gesagt die wenigsten aus den Socken hauen. Diese Geschichte aber in animierten Bildern zu erzählen, das rüttelt auf, das berührt.

Ⓒ Studio / Produzent

Das mag damit zusammenhängen, dass man eine Animation selten für real nimmt. Animationen sind, auch in ihrer brutalen, blutigeren Art, immer irgendwie irreal. Zumindest in meinen Augen. Sie bieten mit ihren knallbunten Farben immer einen Ausweg aus der Realität. Gezeichnete Bilder sind, anders als filmische Bilder, immer eine durch eine unglaubliche fantasievolle Beobachtungsgabe verschobene Abbildung der Realität. Und ihnen haftet ein gewisser Infantilismus an. Wer wird nicht belächelt, wenn er als Erwachsener  Trickfilme schaut (gut, an einem Fantoche ist das sicher nicht so) und das auch noch vor versammelter Meute erklärt. Mit Waltz with Bashir hat Ari Folman aber 2009 eine Bombe in der Filmgeschichte platziert. Er lieferte mit seinem Anidoc ein Werk ab, in dem er versucht, herauszufinden, was im Libanonkrieg passiert ist. Denn nach dem Besuch eines alten Freundes bemerkt die Hauptfigur (von Folman verkörpert), dass er gar keine Erinnerungen mehr an den Krieg und die Geschehnisse in Beirut hat. Seine Erinnerung ist sozusagen ein weisses Blatt Papier, das mit den Bildern der Vergangenheit bemalt werden muss. Der Stift in seiner Hand wird dabei von Freunden und Wegbegleitern geführt. Dabei begleitet ihn das Publikum und kann beobachten, wie sich immer mehr Bruchstücke zu einem Bild zusammenfügen, bis sie ganz am Schluss in reale Nachrichtenbilder übergehen.

Jedes Bild in Waltz with Bashir ist gleichzeitig eine Zeugenaussage und ein Erzeugnis der Imagination. Die verschiedenen Ebenen von Traum und Realität, von Vergessen und Verdrängen vermischen sich zu Bildern, die unter die Haut gehen. Der Rhythmus der Schnittfolge und die dazugemischte Musik tun ihr Weiteres dazu, aus Waltz with Bashir ein eindrückliches Erlebnis zu machen. Ehrlich gesagt habe ich in den letzten Jahren keine packendere Einstiegsszene als die von Waltz with Bashir gesehen, und dieses Gefühl fesselnder Faszination verliess mich auch die restlichen 90 Minuten nicht.

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