Fantoche 2010: Piercing I

Ⓒ Liu Jian, Piercing I

In dreijähriger Eigenregie hat der Regisseur, Zeichner, Animator und Produzent Liu Jian seinen ersten animierten Langfilm hergestellt. Piercing I ist eine, im Vergleich zu anderen Langfilmen am Fantoche, beinahe lustlos wirkende Animation. Die handgefertigten Zeichnungen wirken etwas «dahergeschluddert», gerade wenn man ihnen die schnörkellosen, realistischen Bilder von Metropia gegenüber stellt. Nichts desto trotz steckt auch in Piercing I eine gewaltige Arbeit, die zu würdigen ist. Dass dann auch noch aus einem der letzten kommunistischen Ländern ein Film daherkommt, der die Gesellschaftsstrukturen, die Diskriminierung unterer Schichten oder die Korruption der Beamten anprangert, macht Piercing I zu einer interessanten Studie.

Im Süden Chinas, Ende 2008. Die Finanzkrise schlägt auch beim gelben Riesen zu und es müssen Fabriken geschlossen werden, Arbeiter auf die Strasse gestellt werden. So ergeht es auch dem jungen Zhang Xiaojun, der wegen der vermeintlich besseren Arbeitsbedingungen in die Grossstadt gezogen ist. Erfolglos versucht er, einen neuen Job zu finden, und entschliesst sich alsbald, wieder in sein Heimatdorf zurückzukehren. Dass er auf Jobsuche auch noch verprügelt wird, macht ihm die Entscheidung, nach Hause zu gehen, noch einfacher. Zuvor versucht er aber, nach eindringlichem Zureden eines Freundes, Schmerzensgeld von seinem Peiniger zu erpressen. Dies glückt ihm aber nicht und so macht er sich mittellos auf den Weg in sein Heimatdorf. Kurz bevor er zum Bahnhof gehen will, beobachtet er einen Unfall mit Fahrerflucht und eilt dem Opfer zu Hilfe. Er bringt die verletzte Frau ins Krankenhaus und wartet brav, bis einer der Angehörigen sich meldet. Er übernimmt sogar die Kosten für die Behandlung.

Diese Ritterlickkeit wird ihm aber zu Ungusten angelastet. Die erscheinende Polizistin und Tochter der Verletzten glaubt im Handeln Zhangs eine Schuld zu erkennen und verhaftet ihn augenblicklich. Der Samariter wird ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. Erst nachdem das Unfallopfer aus dem Koma erwacht, wird der Tochter klar, dass sie einen Fehler begangen hat. Eine Entschuldigung bleibt sie dem armen Tropf aber schuldig. In einer Nebenhandlung wird indess ein Unternehmer von einem anderen Unternehmer zu Schmiergeldzahlungen aufgefordert. Ein weiterer Polizist wird auf die Fährte dieser schmierenden und geschmierten Unternehmer gesetzt und schlussendlich treffen sich Zhang, die Polizisten, die Unternehmer und eine Bananenschachtel voller Geld im unausweichlichen Showdown. Dies ist eigentlich das einzige, das man Liu Jians Arbeit ankreiden kann, eine allzu offensichtliche Auflösung einer ansonsten interessanten Geschichte. Sieht man Piercing I aber vor dem Kontext eines Staates, der keine Probleme damit hat, ganze Städte umzusiedeln, Menschenrechte mit Füssen und Fäusten malträtiert und ansonsten für uns Westler ein Buch mit sieben Siegeln bleibt, dann ist Liu Jians Werk eine mutige und eindringliche Arbeit, welche einem eine neue Perspektive auf China ermöglicht.

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